Mein letztes Wort

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Eigene Kinder machen einen glaubwürdiger, wenn man bei pädagogischen Fragen mitreden will.

Der Spielplatz Plöner Straße im Berliner Stadtteil Schmargendorf ist eine schattenarme, von Eltern gefürchte Sandwüste mit Wasserquelle und Brunnenanlage. Bei Kindern ist er allerdings ausgesprochen beliebt. Es tut zwar nichts zur Sache, aber außer den bereits erwähnten Wasserspielen gibt es unter anderem ein Flugzeug, eine Seilbahn und Schaukeln. Auf dem angrenzenden Fußballplatz kann man sich raumgreifenderen Aktivitäten hingeben, wenn einem denn der Sinn danach steht. Seit ich nicht mehr laufe, habe ich damit zwar nichts mehr am Hut, aber danach fragen Kinder ja nicht von sich aus. Wie man ihnen beibringt, nicht nur die eigenen Bedürfnisse im Blick zu haben, sondern auch und vor allem die ihrer armen Eltern, habe ich noch nicht herausgefunden.

Für mich wäre eine Grenze erreicht, wenn eines der Kinder von mir verlangte, Fußball zu spielen. Bisher habe ich erfolgreich versucht, die Existenz dieser Sportart vor meinen Kindern zu verbergen. Da ich sie aber nicht einsperre und insbesondere den Kontakt zu ihren Verwandten mütterlicherseits weiterhin zu pflegen gewillt bin, werden sie irgendwann damit konfrontiert werden. Sei’s drum. Es gibt in diesem Land zum Glück gute Menschen, die sich quasi als „öffentliche Eltern“ um anderer Leute Kinder kümmern. Seit ich seinerzeit bei Fritz Mille in Berlin die Theorie und Praxis der Offenen Jugendarbeit lernte, kenne ich die drei Säulen dieser von Fritz auch als „Katasrophenpädagik“ titulierten Methode. Und dazu gehörte nun mal neben 1.) Disco, 2.) Kochen und Essen als 3.) – Fußball.

Das Leben ist eben nicht nur Pommes und Disco, wie wir inzwischen wissen. Darum habe ich die pädagogische Arbeit auch schon vor längerer Zeit an den Nagel gehängt. Mir war plötzlich klar geworden, dass ich ohne eigene Kinder auch kein glaubwürdiger öffentlicher Elternteil sein könnte. Heute weiß ich, wie recht ich damit hatte. Wie auch immer, ich war in der Plöner Straße jedenfalls froh, nicht Fußball spielen zu müssen. Statt dessen hatten wir eine Wurftüte dabei, ein sack- oder eben tütenähnliches Gebilde, dass an der einen Seite mit irgendetwas Schwerem befüllt ist. An der anderen schleudert man es seitlich herum, um es dann im richtigen Augenblick loszulassen. Als ich gerade soweit war, rief auf der Seite, auf der ich gerade schleuderte, jemand meinen Namen. Ich drehte den Kopf und ließ die Tüte los. Das schwere Ende klatschte mir ins Gesicht. Bevor ich die Besinnung verlor, entfuhr mir noch ein letztes Wort: „Kacktüte“.

Mein letztes Wort.pdf

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