Dranbleiben

Ich prokrastiniere nicht, sondern ich kultiviere das Ausruhen.

Nein, ich habe noch keine Weihnachtskarten geschrieben. Dazu muss man nämlich in der richtigen Stimmung sein und die ist noch nicht so richtig aufgekommen. Wahrscheinlich liegt es am fehlenden Schnee. Im schönsten Sonnenschein denkt man nicht an Weihnachtskarten, sondern eher an Gartenarbeit. Ja, wenn der Garten jetzt friedlich unter einer dicken Schneedecke Winterschlaf halten würde, dann könnte man auch gemütlich Weihnachtskarten schreiben. Aber wenn der Nachbar mit seinen 90 Jahren schon wieder zwischen seinen Beeten kniet, dann finde ich einfach nicht die notwendige Muße.

In den Garten kann ich aber auch nicht. Man muss ihn jetzt mal in Ruhe lassen. Der Nachbar staunte nicht schlecht über unsere Zucchini und meinte, der Boden wäre eben gut ausgeruht. Ja, das war schon immer mein Geheimnis. Immer schön ausruhen lassen, ob nun den Boden, mich selbst oder was auch immer. Womit man sich auch immer beschäftigt, es kann nur gewinnen, wenn man es mal eine Zeit lang aus der Hand legt und sich nicht darum kümmert.

Kinder müssen das erst mühsam lernen. Ausruhen ist ihnen nicht in die Wiege gelegt. Sie können es nicht. Es müsste eigentlich in der Schule ein Fach „Ausruhen“ geben, denn sie lernen es auch nicht im Kindergarten. Es ist sehr schwer, einem Kind das Ausruhen beizubringen. Ich habe es von Anfang an versucht – und bin gescheitert. Ich lebe es vor, doziere, referiere. Bisher erfolglos. Dabei meine ich nicht Schlafen. Das ist auch sehr schwierig, aber Ausruhen ist eben das, was man zwischen zwei Schlafzeiten tun sollte. Man schläft übrigens auch viel besser, wenn man ausgeruht ist. Aber was soll man machen? Man muss einfach dranbleiben.

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