Definitiv zu spät

In Hennigsdorf, der Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin, gab es einen Kunstgewerbeladen. Dort stand in der Weihnachtszeit immer ein Weihnachtsmann im Schaufenster, der eine Rute in der Hand hielt und damit drohte. Das war immer mein Bild von diesem Kerl und ich habe nie ein anderes Gefühl mit ihm verbunden als Angst. Zu nichts anderem ist diese Figur ja auch erfunden worden, genau wie der Sandmann. Der streut den Kindern, die nicht schlafen wollen, Sand in die Augen. Ich meine, jeder hat schon mal Sand in die Augen bekommen, oder? Das ist nicht angenehm und einschlafen kann man davon gleich gar nicht. Es ging immer nur darum, die Kinder zu ängstigen und zu demütigen.

Es ist eigentlich unbegreiflich, warum diese Figuren in aufgeklärten Elternhäusern noch vorkommen dürfen. Sie wurden umgedeutet, der Sandmann zum freundlichen Geschichtenerzähler und sein Sand zu so etwas wie Äther, den man zum Einschlafen braucht. Der Weihnachtsmann zum liebenswerten Geschenkeknecht. Aber dahinter lauern immer noch die finsteren Archetypen aus der Schwarzen Pädagogik. Wir werden sie nicht los, auch wenn inzwischen Generationen dazwischen liegen. Wir werden sie nicht los, weil sie ein Teil von uns sind. Wir sind eben nicht nur lieb und hell und freundlich, sondern genauso auch böse und finster. Es kommt darauf an und alles hängt davon ab, unsere finstere Seite zu beherrschen.

Wie dem auch sei, der Weihnachtsmann braucht einen Wunschzettel. Ich habe mal einen geschrieben und an der Balkontür befestigt. Es hieß, er würde dort abgeholt. Ich hatte schnell Zweifel, dass das funktioniert, denn mein Zettel wurde nicht abgeholt. Er hing noch am 23. Dezember dort. Vielleicht lag es daran, dass wir den Wunschzettel von innen an die Scheibe geklebt hatten? Zwischen Fürstenberg/Havel und Lychen liegt Himmelpfort und viele Kinder schickten ihre Wunschzettel mit der Post dorthin. Das war wahrscheinlich schlauer und man bekommt auch eine Antwort. Allerdings muss der Brief bis zum 2. Advent dort sein. Die Weihnachtskarten sind zwar heute rausgegangen, aber für einen Wunschzettel ist es definitiv zu spät.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert